Geschlechtersymbole – Spiegel und Sperr?
Wie tief verwurzelt althergebrachte Klischees von Männern und Frauen sind, zeigte mir vor kurzem mein Sohn (8). In der Schule hat er die Symbole für männliches und weibliches Geschlecht (♂ und ♀) gelernt. Stolz verkündete er mir, das weibliche Symbol würde einen Spiegel darstellen (damit sich die Mädchen schön machen können). Sperr und Schild dagegen würde das männliche Symbol abbilden (damit sich die Jungs im Kampf verteidigen können und die Mädchen beschützen). Ich war zutiefst empört über diese klischeehaften Eselsbrücken. Zum Glück habe ich meinem Sohn kürzlich aus dem wundervollen Buch „Good Night Stories for Rebel Girls – 100 außergewöhnliche Frauen“ vorgelesen. So hat er bemerkenswerte und starke Frauen kennengelernt, die die traditionellen Stereotypen widerlegen.

Gute Nacht, Rebel Girls!
Das Buch „Good Night Stories for Rebel Girls – 100 außergewöhnliche Frauen“ stellt einen wundervollen Beitrag zur Gleichberechtigung unter den Geschlechtern dar. Den Autorinnen Elena Favilli und Francesca Cavallo ist aufgefallen, dass in den meisten Kinderbüchern die Hauptrollen von männlichen Helden besetzt sind. In den vielen Fällen spielen Mädchen und Frauen eher passive Rollen. Man denke nur an Rapunzel, die im Turm festsitzt und darauf wartet gerettet zu werden, anstatt ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Diese Feststellung hat die beiden entsetzt. Wie sollen die jungen Mädchen von heute ein starkes Selbstbewusstsein entwickeln, wenn es schlicht an Vorbildern in Kinderbüchern mangelt? Für die beiden Autorinnen war dies ein unhaltbarer Zustand. Zumal es an weiblichen Vorbildern in der echten Welt nicht mangelt. Nur aufschreiben müsste jemand mal die Biografien.
Aus dieser Idee heraus entstand „Good Night Stories for Rebel Girls“: 100 Geschichten über 100 bemerkenswerten Frauen. Vertreten sind Frauen quer durch alle Bevölkerungsschichten (vom Staatsoberhaupt bis hin zur einfachen Näherin), aller Kontinente (von Afrika über Amerika, Asien und Australien bis Europa) und der Historie der letzten 2000 Jahre. Viele von ihnen sind in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und haben sich hochgearbeitet wie Michelle Obama, Yoko Ono und die indische Boxerin Mary Kom. Es geht aber auch um Mädchen, denen kein Vertrauen, keine Zuversicht und keine Ermunterung zu Teil wurde, und die es dennoch geschafft haben, ihre Träume wahr werden zu lassen: etwa wie die chilenische Schriftstellerin Isabel Allende, die mexikanische Aktivistin und Politikerin Eufrosina Cruz und die amerikanische Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg. In dem Buch gibt es auch Darstellungen über besondere Wissenschaftlerinnen wie die polnische Physikerin Marie Curie, die deutsche Naturforscherin Maria Sibylla Merian und die italienische Wissenschaftlerin und Nobelpreisträgerin Rita Levi Montalcini. Besonders berührt haben mich die Vitas über Frauen, die ihr Leben eingesetzt haben für die Menschenrechte wie die saudi-arabische Frauenrechtlerin Manwal al-Sharif, die amerikanische Aktivistin Rosa Parks oder auch die Kolumbianerin Policarpa Salavarrieta.
Im Buch passt genau ein Lebensbild über eine besondere Frau auf eine Seite. Dies ist natürlich nur ein Blitzlicht aus dem Leben und Wirken der jeweiligen Heldin. Viele dieser Kurzbiografien fordern es ein, dass man tiefer eintaucht in die Geschichte dahinter. Ich musste schon ein wenig ausholen und meinem Sohn den Gesamtkontext erklären, wie bei dem Lebensbericht der amerikanischen Chirurgin Mary Edwards Walker aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Sie trug lieber Hosen anstatt geschnürter Korsetts (heute eine Selbstverständlichkeit). Besonders viel Zeit habe ich investiert, um die Hintergründe des Lebens von Sophie Scholl zu erläutern (wie kann man das Unfassbare in kurzer Zeit erklären?). Ich habe die Vorlesezeit sehr genossen, weil ich über die Lebensgeschichten mit meinem Sohn ins Gespräch gekommen bin über die Weltgeschichte allgemein und die Errungenschaften der Emanzipation im Besonderen.
Das Buch lebt zudem durch die Illustrationen. Jeder Persönlichkeit wurde ein Porträt gewidmet. Sage und schreibe 60 Illustratorinnen haben die Pionierinnen ihrer Zeit erneut lebendig werden lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes wurde den Geschichten so ein „Gesicht“ gegeben.


Mein Fazit zum Buch „Good Night Stories for Rebel Girls“
Das Buch „Good Night Stories for Rebel Girls – 100 außergewöhnliche Frauen“ richtet sich an Mädchen im Alter von 12 bis 15 Jahren (Verlagsangabe). Wenn man bedenkt, dass einiges an geschichtlichem Vorwissen notwendig ist, um die Schilderungen in ihrem Kontext einordnen zu können, ist die Altersangabe richtig gewählt. Die Länge der Texte und die Klarheit im Ausdruck lassen es jedoch durchaus zu, dass man die Geschichten auch einem jüngeren Publikum zugänglich macht. Mit behutsamen Erklärungen können auch Kinder im Grundschulalter die Intention der berührenden Geschichten sehr gut erfassen. Warum ich meinen Söhnen das Buch vorlese? Unsere Welt braucht nicht nur starke Frauen, sondern auch Männer, die diese Stärke erkennen, zulassen und schätzen.
„Good Night Stories for Rebel Girls – 100 außergewöhnliche Frauen“
von Elena Favilli und Francesca Cavallo
erschienen 2017
im Carl Hanser Verlag
24,00 Euro

Der Ursprung der Geschlechtersymbole
Zurück zu der Geschichte mit den zweifelhaften Geschlechtersymbolen: Auf der Suche nach alternativen, weniger klischeehaften Merksprüchen begab ich mich auf Internetrecherche und befragte Freundinnen und Kolleginnen – leider erfolglos. Spiegel und Sperr oder ähnliches Stereotypes scheint tatsächlich eine gängige Eselsbrücke beziehungsweise eine Erklärung für die Symbolik zu sein, sowohl im Deutschen … als auch im Englischen … ganz zu schweigen vom Französischen.
Fast resignierend recherchierte ich nach der ursprünglichen Bedeutung der Geschlechtersymbole – vielleicht sollte mich das weiterbringen. Tatsächlich fand ich keine deutschsprachige Internetseite, die den Irrglauben unmissverständlich aufklärt. Vielmehr bin ich auf englischsprachigen Internetseiten, wie dem Etymologie-Blog https://mashedradish.com von John Kelly fündig geworden. Darauf wird plausibel dargelegt, dass die ursprüngliche Symbolik aus der Alchemie stammt, die Weiterentwicklung von Abkürzungen für griechische Buchstaben sei und ursprünglich die Metalle Eisen und Kupfer bezeichneten. Diese Symbolik wurde dann in der Astronomie für die Planeten Mars und Venus benutzt. Aus dieser Verwendung heraus, benutzte der Naturforscher Carl von Linné diese Symbolik für männliche und weibliche Pflanzenteile. Dies wurde wiederum von Zoologen übernommen. Von dort aus war es nur noch ein kleiner Schritt für die Verwendung für die menschlichen Geschlechter. Die Eselsbrücken „Handspiegel und Pfeil“ kamen erst später auf (Quelle u.a.: https://mashedradish.com/2017/02/24/where-do-the-male-⚦-and-female-♀-symbols-come-from/).
Da die ursprüngliche Bedeutung weder etwas mit Venus noch mit Mars, geschweige denn mit den Geschlechtern zu tun hat, vielleicht magst Du ja mit mir zusammen neue Eselsbrücken erfinden, die die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ausdrücken. Schreib‘ mir doch Deine Idee in den Kommentaren.
Liebe Grüße
Sandra
P.S.: Den DIY-Kalender haben gewonnen: Isabell von mymorningsun.de und Sanne. Herzlichen Glückwunsch! Bitte schickt mir Eure Adressen per E-Mail.
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