oder wie Du die Zeit als Familie am intensivsten nutzt
Eine Fahrradtour mit Kindern im Anhänger: Wer das für unmöglich hält, sollte jetzt unbedingt weiterlesen.
In diesem Jahr ist unser Sommerurlaub sehr begrenzt. Der neue Job und sich kaum überschneidende Krippen- und Kitaferien sind schuld. Die wenige gemeinsame Zeit mit meiner Familie möchte ich so gut wie möglich nutzen, fernab von der ganzen Ablenkung zu Hause, einfach nur wir als Familie.
Obwohl wir vor bereits zwei Jahren von Berlin nach München gezogen sind, kennen wir noch nicht viel von Bayern. Das soll sich in diesem Sommer ändern. Die Idee: Eine Fahrradtour durch unsere neue Heimat. Oder wie wir Bayern sagen: Radltour.
Die Tour soll in Richtung Norden gehen. Die Berge in Richtung Süden wären allzu anstrengend. Geplant ist es, von München aus zu starten und über Freising, Landshut, Landau an der Isar, Deggendorf und Straubing bis nach Regensburg zu radeln. Beim Gepäck schränken wir uns sehr ein, es muss ja auch alles noch von A nach B gefahren werden, alles von uns mit eigener Muskelkraft. Im Prinzip wird für jeden ein Radloutfit und ein Abendoutfit gepackt. Auch die Kinder müssen sich einschränken.
Auf geht’s zum größten Abenteuer als vierköpfige Familie.
Tag 1 München–Freising

Der erste Tag startet leider nicht wie geplant. Es schüttet wie aus Eimern. Positiv gestimmt bereiten wir alles für die Abfahrt vor. Wie es das Schicksal will, hört es in dem Moment auf zu regnen, als wir fertig sind und wir starten mit einer circa einstündigen Verspätung. Die müssen wir nachher wieder einholen. Ganz wichtig: Bei mir beginnt der Urlaub, wenn ich mich dazu entscheide. Und heute beginnt der Urlaub an der Haustür als wir auf die Fahrräder steigen.
Die erste Etappe führt uns quer durch die Stadt bis in den Englischen Garten. Der wenig bekannte Nordteil ist naturnaher und wilder als der bekannte Südteil mit Biergärten und Chinesischem Turm. Unsere erste Pause mit Brotzeit genießen wir am Isarufer. Mein Mann zeigt unseren Söhnen, wie man Steine über die Wasseroberfläche flippt.
In Ismaning nehmen wir eine Abkürzung mit der S-Bahn bis Hallbergmoos, um die verlorengegangene Stunde wieder aufzuholen. Dort angekommen begrüßt uns ein tolles Grafitti in einer Unterführung. Soviel Coolness hätte ich Hallbergmoos nicht zugetraut. Doch es warten noch weitere Überraschungen auf uns.
Die startenden Flugzeuge des nahe liegenden Flughafens donnern noch eine Weile über unsere Köpfe. Am Wegesrand begleitet uns kilometerweit Goldrutenbüsche, wunderschön und gelbgoldig.
Freising ist ein supersüßes Städtchen. Im „Alten Gefängnis“ essen wir eine leckere spanische Tortilla. Dann geht es weiter zur Unterkunft. Die wird gleich mal richtig abenteuerlich zum Auftakt der Tour. Wir dürfen in einem Garten quasi unter freiem Himmel übernachten. Unser Strohlager ist in einem selbstgebauten Verschlag untergebracht. Die Kinder sind quietschfidel angesichts dieser ungewöhnlichen Behausung. Unsere Nacht wird trotzdem sehr geruhsam.

Tag 2 Freising–Landshut
Am nächsten Morgen hält es kaum jemanden lange im Bett. Leider regnet es wieder. Wir satteln unser Gepäck und fahren nach Freising rein fürs Frühstück. Das nehmen wir in Sissis Kaffeehaus ein. Im dortigen Wintergarten ist es hell und angenehm warm. Am Bahnhof nehmen wir die Regionalbahn nach Landshut. Bei schlechtem Wetter war das unser Plan B, der jetzt in die Tat umgesetzt wird. In Landshut beziehen wir erstmal Quartier. Die im Balsschlösschen untergebrachte Jugendherberge im Biedermeierstil ist in ruhiger Lage auf einer kleinen Anhöhe gelegen und ein echtes Highlight. Da es immer noch regnet, schnappen wir uns die obgligatorischen Tischtennisschläger und spielen eine Runde. Ich muss zugeben, ich habe mich schon lange nicht mehr so jung gefühlt (räusper!). Landshut selbst ist traumhaft schön und auf jeden Fall einen Besuch wert.

Tag 3 Landshut–Landau an der Isar
Heute stehen eine Menge Kilometer auf dem Plan. Nach einem typischen Jugendherbergsfrühstück geht es los in Richtung Landau an der Isar. Die ersten 25 Kilometer führen uns auf dem Deich direkt an der Isar flussabwärts. Der Weg ist beschwerlich, da nicht asphaltiert. Die Aussicht ist dafür um so herrlicher. Auf dem Altheim Stausee und dem Stausee Dingolfing sehen wir Enten, Kormorane und viele weitere Tiere. Libellen begleiten unseren Weg. Die Isar gilt als Wildfluss, weitestgehend naturbelassen und ohne nennenswerten Schiffsverkehr.
Rast machen wir diesmal in Dingolfing. Unser Hunger ist groß und wir kehren im hiesigen Dönerimbiss ein. Wir werden nett bedient und das Essen ist ausgezeichnet. Später erzählt mir der Besitzer, dass sein Vater 1986 in Dingolfing den ersten Dönerimbiss Niederbayerns eröffnete. Für mich als Ur-Berlinerin ist der Laden eine echte Entdeckung. Die Dönerkultur ist in München leider nicht so ausgeprägt.
Das restliche Stück bis nach Landau an der Isar ist dann zum Glück gut befahrbar und wird kommen schnell in der Stadt an. Der Weg durch die Stadt ist dann aber beschwerlicher als gedacht. Es geht steil bergauf, zu steil, um mit dem Fahrrad zu fahren.
Unsere Bleibe für eine Nacht ist der Gasthof Löhr, der ganz auf die Bedürfnisse von Radlern ausgerichtet ist. Zum Ausklang des Tages gehen wir in die dazugehörige Wirtschaft, während die Kinder noch ein wenig im Sandkasten spielen. Dann endet unsere bis dahin anspruchsvollste Etappe.

Tag 4 Landau an der Isar–Deggendorf
Die Fahrt auf dem Bockerlbahnradweg von Landau runter ins Tal ist ein wenig länger, entschädigt aber dafür alle Mühe des Aufstiegs vom Vortag. Wir erfreuen uns am wundervollen Ausblick über das gesamte Isar- und Donautal bis zum Bayerischen Wald. Später biegen wir zurück auf den Isar-Radweg. Ein Teil der Strecke ist als „Fischerei-Lehrpfad“ gekennzeichnet. Tafeln mit Erklärungen zu den in der Isar lebenden Fischen begleiten uns. Lange hatte ich nicht mehr so viel Spaß wie beim Lesen dieser Tafeln. Oder was fällt Dir so ein bei Fischnamen wie Hasel und Aitel, Nase und Blaunase oder auch Huchen und Nerfling?
Der Radweg führt an späterer Strecke an einem Holunderbäumchenhain vorbei. Mein DIY-Herz schlägt höher bei dem Anblick dieser ungefähr 100! Holunderbeerbäumchen. In meinem Kopf rattert es wie verrückt, was ich alles mit den reifen Holunderbeeren anstellen könnte. Holunderbeerengelee, Holunderbeerensirup. Holunderbeerenkuchen und so weiter und so fort. Doch leider würden die Beeren die Weiterfahrt bis München nicht überleben. Also heißt es Abschlied nehmen und die Fahrt fortsetzen.
Bevor wir die Isar verlassen, machen wir eine Rast Höhe Plattling. Mein großer Sohn macht eine spannende Entdeckung, von der er sich kaum losreißen kann. Dort leben kleine Fische, Schnecken und Wasserläufer: das pure Leben auf drei Metern Isarufer.
Über Fischerdorf, einem Vorort vor Deggendorf, erreichen wir die Donau. Das erste Auffällige: Es gibt Schiffsverkehr. Über eine Fußgängerbrücke über die Donau ist Deggendorf zu erreichen. Unser großer Sohn mag nicht mehr im Anhänger sitzen und geht, läuft und springt zum anderen Ufer. Dort entdecken wir den Lehrbienenstand des örtlichen Bienenzuchtvereins. Einige Honigbienenstöcke sind dort aufgestellt, an denen wir die Bienen gut beobachten können. Auch Wildbienenhotels sind an den eigens gepflanzten Obstbäumen angebracht. Hier noch ein Honigbienenfoto.

Tag 5 Deggendorf–Straubing
Weiter geht es an der Donau flussaufwärts. Auf einem Teilstück sind auf dem Wasser vor allem Frachter zu bestaunen. Einen Großteil der Strecke haben wir auf dem Radweg neben dem Deich hinter uns gebracht, sodass vom Wasser nicht viel zu sehen war.
Eine kleine Pause ist die Stadt Bogen wert. Sie gilt als Wiege des weißblauen bayerischen Rautenmusters und als Pforte zum Bayerischen Wald. Die Marienkirche auf dem Bogenberg erblicken wir schon von Weitem.
Straubing ist bekannt für das Gäubodenfest, dem zweitgrößten Volksfest Bayerns. Leider verpassen wir es um einige Tage, sehen aber noch die Abbauarbeiten. Die Innenstadt Straubings ist ganz zauberhaft mit vielen auch kleinen Lädchen zum Entdecken und Einkaufen.

Tag 6 Straubing–Regensburg
In der Nacht regnet es erneut. Die Ketten unserer Fahrräder haben gestern schon ein wenig gequitscht. Wir befürchten, dass der Regen diesen Zustand noch verschlimmert. Daher nehmen wir ein wenig Butter vom Frühstück mit. Später wird mein Mann bemerken: „Mein Rad fährt heute wie gebuttert!“
Ein sonniger Tag erwartet uns. Die Landschaft ändert sich, bewirtschaftete Felder dominieren das Bild. Wir lernen, dass in Niederbayern Mais, Weizen, Bohnen, Kartoffeln, Landgurken, Zuckerrübe und Zwiebeln angebaut werden. Der Weizen ist bereits geerntet, doch einige Ähren wurden am Feldrand vergessen. Diese nehme ich mit. Später zu Hause werden mein großer Sohn und ich Mehl daraus mahlen und in einem Kuchen verbacken.
Eine kurze Auszeit nehmen wir uns in Wörth an der Donau. Leider fehlt uns die Puste für den Aufstieg bis zum Schloss Wörth. Aber meine Fotos von einer Anhöhe geben einen Blick auf das Schloss in Gänze Preis.
Entlang der Weinroute (des kleinsten Weinanbaugebiets Deutschlands; hört, hört!) fahren wir nach Donaustauf. Dort gibt es eine ganz besondere Sehenswürdigkeit. Walhalla ist ein Ehrentempel, erbaut als Nachbildung des Parthenon auf der Akropolis im 19. Jahrhundert und vollständig erhalten. Wir freuen uns schon sehr auf Regensburg und starten den Endspurt.
Unsere Jugendherberge liegt malerisch auf der Insel „Unterer Wöhrd“ zwischen Donau und Regen. Hier ist richtig was los. Mit Spielplatz, Tischtennis, Gemeinschaftsräumen mit Spielen und Kickern hat die Herberge viel zu bieten. Die alten Römer haben auch noch in der Neuzeit ihre Spuren hinterlassen. Lateinische Weisheiten finden sich an den Wänden, wo immer ich auch hinschaue. Und das ist noch nicht alles.
Wir unternehmen einen kleine Spaziergang durch die Innenstadt und essen einen kleinen Imbiss in der ältesten Bratwurststube der Welt bevor wir hundemüde ins Bett fallen.

Tag 7 Regensburg–München
Ich bin sehr glücklich darüber, dass Regensburg den Endpunkt unserer kleinen Reise bildet. Die Stadt ist der absolute Höhepunkt und erinnert mich in Teilen an Berlin. So pulsierend und jung erlebe ich Bayern zum ersten Mal. Sicherlich werden wird wiederkommen.
Erschöpft und energiegeladen zugleich, aber vor allem glücklich nehmen wir den Zug zurück nach München, das uns mit strahlendem Sonnenschein empfängt.

Mein Fazit
Unterwegs sein, Bewegung, Landschaften, viele Städte sehen und das alles mit der Familie erleben. Das ist für mich der ideale Urlaub. Die Etappen waren so geplant, dass sie für mich als untrainierte Radfahrerin schaffbar und für die Kinder nicht allzu langweilig waren. Die Zeit, die wir als Familie verbracht haben, war für mich unbezahlbar.
Liebe Grüße
Sandra
Tipps und Adressen
Förderverein „Altes Gefängnis Freising e.V.“
Obere Domberggasse 16
85354 Freising
Sissi’s Kaffeehaus
General-von-Nagel-Straße 6
85354 Freising
Jugendherberge Landshut im Balsschlösschen
Richard-Schirrmann-Weg 6
84028 Landshut
Orient-Express
Marienplatz 21
84130 Dingolfing
Gasthof Löhr
Hochstrasse 55
94405 Landau an der Isar
Lehrbienenstand des Bienenzuchtvereins Deggendorf-Metten e.V.
Gleisdreieck auf dem ehemaligen Landesgartenschaugelände
am Ende der neuen Fußgänger- & Radfahrerdonaubrücke
Deggendorf
Historische Wurstküche Andreas Meier e.K.
Thundorferstr. 3
93047 Regensburg
Jugendherberge Regensburg
Wöhrdstr. 60
93059 Regensburg
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